„Reich an Armut - Arm an Chancen?!“

Eine Kampagne der Arbeiter-Samariter-Jugend Deutschland

Kind auf Schaukel

1. Beweggründe für die Kampagne

In Deutschland sind rund 3 Millionen unter 18Jährige armutsgefährdet, das ist jede_r fünfte! Der Anteil der Kinder und Jugendlichen in relativer Einkommensarmut in Deutschland ist auf hohem Niveau mit leicht steigenden Quoten. Die Quoten für Kinder und Jugendliche sind dabei kontinuierlich höher als für die Gesamtbevölkerung.[1] Kinder und Jugendliche sind häufiger von Armut betroffen als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.

Dabei sind die Ursachen der Kinder- und Jugendarmut so vielschichtig wie deren Auswirkungen. Kinder und Jugendliche, die in Armut leben können geringere Bildungschancen, Teilhabemöglichkeiten, Partizipationsmöglichkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten, soziale Bindungen und eine schlechtere gesundheitliche Versorgung haben. Die materielle Ausstattung eines Haushaltes wirkt sich auf vier Lebenslagendimensionen von Kindern und Jugendlichen aus[2]: materielle Lebenslage (Kleidung, Wohnung, Nahrung), kulturelle Lebenslage (kognitive Entwicklung, Sprache, Bildung, kulturelle Kompetenzen), soziale Lebenslage (soziale Kontakte, soziale Kompetenzen), gesundheitliche Lebenslage (physische und psychische Gesundheit).

Armut während der Kindheit zu erfahren, hat nicht nur direkte Auswirkungen auf das gegenwärtige Leben. Aufgrund fehlender finanzieller Möglichkeiten werden Kinder und Jugendliche von typischen altersspezifischen Aktivitäten ausgeschlossen. Darüber hinaus wirkt sich Armut in der Kindheit auf das weitere Leben im Jugend- und Erwachsenenalter aus.

Dazu gehört auch die Teilnahme an außerschulisch organisierten (Freizeit-)Aktivitäten. Sie ist ein wichtiger Baustein für den Zugang zu Lebenschancen und für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Neben der Familie und der Schule, können Kinder und Jugendliche auch in der Freizeit eine Vielzahl an Ressourcen und Kompetenzen für ihr gegenwärtiges und späteres Leben entwickeln (informelles Lernen). Aktivitäten in der Freizeit sind eine Möglichkeit am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und gleichzeitig ein Ausdruck von Zugehörigkeit. Dies nicht zu ermöglichen stellt eine Benachteiligung dar.

Konkret bringen Kinder und Jugendliche, die in Armut leben weniger oft andere Kinder mit nach Hause, feiern ihren Geburtstag seltener und haben mangelnde Gelegenheiten über Vereinsaktivitäten soziale Kontakte zu schließen und zu pflegen.

Das Engagement von jungen Menschen, die sich im Sozialleistungsbezug befinden oder armutsgefährdet sind, ist tendenziell geringer als von jungen Menschen, die weder Sozialleistungen beziehen, noch als einkommensarm gelten.

Dabei sind Kinder aus einkommensarmen Familien seltener Mitglied in einem Verein. Eine Studie zeigt auf, „dass fast jedes Kind aus der Oberschicht (96 %) Mitglied in einem Verein oder aktiv in einer außerschulischen Gruppe ist, wohingegen nur vier von zehn Kindern aus der unteren Schicht (37 %) in einem solchen Bereich aktiv sind.“[3] Die ungleiche Verteilung und das ungleiche Engagement spiegeln sich bei Kindern aus unteren sozialen Schichten auch in einer größeren Unzufriedenheit mit ihrer Freizeitgestaltung wider.

Kinder und Jugendliche können Armut nicht aus eigener Kraft überwinden und sind besonders abhängig von der Situation Ihrer Familie. Um Armut zur überwinden ist Unterstützung notwendig!

Auch die Folgen der Coronapandemie wirken sich für Kinder aus armen Haushalten besonders nachteilig aus. Etwa die Hälfte der in Armut lebenden Kinder verfügen nicht über ausreichend Platz in der Wohnung, z.B. kein eigenes Kinderzimmer. In 13% der Haushalte gibt es keinen ruhigen Platz zum Lernen. Auch das zeitweise Lernen auf Distanz aufgrund der Schulschließungen führt zu reduzierten Bildungschancen. [4] Denn oftmals fehlen digitale Endgeräte zur Teilnahme an Videokonferenzen im Rahmen von virtuellen Lernen auf Distanz.

 

 

2. Ziele und Inhalte der Kampagne

Die Kampagne soll über Kinder- und Jugendarmut aufklären und Aufmerksamkeit für das Thema erzeugen.

Die ASJ vermittelt als Jugendverband für betroffene Kinder und Jugendliche ein Gefühl der Sicherheit und Gemeinschaft. Sie kann durch ihre Angebote einen wesentlichen Beitrag zur Teilhabe leisten und Freiräume außerhalb von Schule und Familie bieten. In diesen können Kinder und Jugendliche Kompetenzen erwerben und ihre Persönlichkeit stärken.

Die Arbeiter-Samariter-Jugend Deutschland setzt sich auf all ihren Ebenen hierfür ein!

Die ASJ positioniert sich gegen Kinder und Jugendarmut und setzt sich für Chancengleichheit ein!

Die ASJ erkennt an, dass Kinder- und Jugendarmut ein wichtiges und vielseitiges Themengebiet ist. Aufgrund dieser Erkenntnis beschließt die ASJ, sich auf all ihren Ebenen mit dem Thema auseinanderzusetzen und der negativen Entwicklung der Kinder- und Jugendarmut entgegenzuwirken.

Der Fokus der Kampagne liegt dabei darauf die (eingeschränkten) Chancen von Kindern und Jugendlichen, die in Armut leben aufzuzeigen und ihnen gesellschaftliche Teilhabe im Rahmen von ASJ-Angeboten zu ermöglichen. Auch wenn sich die Kampagne auf das Aufzeigen und Schaffen von Chancen für arme Kinder und Jugendliche konzentriert, darf sie die Benennung der Ursachen von Armut nicht aus den Augen verlieren.

In der ASJ soll ein Bewusstsein geschaffen werden, dass alle angebotenen (ASJ-)Aktivitäten die Chancen auf Teilhabe aller Kinder und Jugendlicher verbessern. Denn die ASJ bietet durch ihre Angebote niederschwellige Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche.

Betroffene Kinder und Jugendliche sollen so unterstützt und gestärkt werden, dass sie besser für sich selbst einstehen können!

Durch die Kampagne soll aufgezeigt werden, dass viele ASJ-Gruppen im Rahmen der Verbandsarbeit die Folgen von Kinder- und Jugendarmut lindern. Dies soll bestärkt werden! Gleichzeitig sollen die Gruppen aufgefordert werden, sich auch explizit mit dem Thema zu beschäftigen.

Zudem fordert die ASJ effektives Handeln aller politischen Ebenen, um Kinder- und Jugendarmut entgegen zu wirken und diese zu verhindern.

 

3. Zielgruppen der Kampagne

Die Kampagne richtet sich an alle ASJler_innen. Sie sollen zum Thema Kinder- und Jugendarmut in Deutschland sensibilisiert werden. Die ASJ-Gruppen vor Ort sollen motiviert werden sich mit dem Thema der Kinder- und Jugendarmut zu beschäftigen und hierzu Aktionen zu gestalten.

Im Rahmen der Kampagne sollen insbesondere ASJler_innen zu folgenden Themen aufgeklärt und sensibilisiert werden:

-           Was ist Armut?

-           Wie wirkt sie sich auf Kinder und Jugendliche aus?

-           Was sind die Gründe für Kinder- und Jugendarmut?

Dabei sollen auch Kinder und Jugendliche erreicht werden, die nicht selbst in Armut leben.

Neben der Beteiligung der ASJ Ebenen, sollen auch die regionalen ASB Gliederungen eingebunden werden. Der ASB kann gemeinsam mit der ASJ und deren Angeboten einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung des Themengebietes und Schaffung von Anlaufstellen beitragen.

Da es sich bei dem Themenfeld der Kinder- und Jugendarmut um ein vielschichtiges und komplexes Gebiet handelt, soll die Kampagne vor allem innerverbandlich bearbeitet und bekannt gemacht werden. In einem zweiten Schritt kann sodann die breite Öffentlichkeit angesprochen werden.

Als Multiplikator_innen für die Kampagne können insbesondere ASJ-Vorstandsmitglieder aller Verbandsebenen, Jugendgruppenleiter_innen, anderer Funktionsträger_innen sowie engagieret ASJler_innen fungieren.

 

4. Gestaltungs- und Wirkungsmöglichkeiten der Kampagne

Damit die Kampagne auch vor Ort behandelt werden kann, sollen von der Bundesebene Vorschläge für Methoden erarbeitet werden, mit denen das Thema der Kinder- und Jugendarmut in Gruppenstunden vermittelt werden kann.

Trotz der im Schwerpunkt nach innen gerichteten Zielrichtung der Kampagne, soll sie Aktionselemente enthalten. Hierzu können unter anderem:

  • regionale Aktionen und kleine Projekte durchgeführt werden,
  • ein Projekt mit dem ASB Bundesverband durchführen werden,
  • ein Leuchtturmprojekt mit einem lokalen Partner durchführen,
  • ein jugendpolitischer Abend ausgerichtet werden,
  • ein Seminar angeboten werden,
  • ein „Wettbewerb“ initiiert werden,
  • Beiträge für das ASJ am Puls erstellt werden,
  • ein ASJ-TV-Beitrag produziert werden,
  • eine Arbeitshilfe/ Pocket-Buch erstellt werden,
  • politische Forderungen erarbeitet werden (z.B. Kindergrundsicherung).

Denkbar sind auch gemeinsame Aktionen mit regionalen Partnern und/oder anderen Verbänden. Es soll die Möglichkeit genutzt werden an die ASB-Gliederungen heranzutreten, um sie z. B. zur Einrichtung von Sprechstunden für Hilfestellung zur Sozialen Teilhabe anzuregen.

 

5. Zeitplan der Kampagne

Die inhaltliche Erarbeitung der Kampagne soll im Jahr 2020 stattfinden. Im Jahr 2021 soll die Kampagne sodann in allen ASJ Ebenen starten. Laufzeit der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema der Kinder- und Jugendarmut ist bis zum Ende 2021 geplant. Eine Fortführung der Kampagne über 2021 ist denkbar. Das Thema soll dauerhaft Teil der ASJ Arbeit sein.

Zur nachhaltigen Motivation sollen folgende Meilensteine verfolgt werden:

  1. Konzeptentwicklung
  2. Inhaltliche Befassung mit der Kampagne auf dem Bundesjugendausschuss
  3. Erarbeitung von Methoden für Gruppenstunden
  4. Überdenken eigener Angebote
  5. Leuchtturmprojekt
  6. Seminarangebot
  7. Positionspapier der ASJ
  8. Jugendpolitischer Abend

 

 

6. Studien zur Kinder- und Jugendarmut

  • AWO-ISS-Studie

https://www.iss-ffm.de/fileadmin/assets/veroeffentlichungen/downloads/Kurzfassung-Ergebnisse-AWO-ISS-Langzeitstudie.pdf

  • Report des Deutschen Kinderhilfswerks

https://www.dkhw.de/fileadmin/Redaktion/1_Unsere_Arbeit/1_Schwerpunkte/2_Kinderrechte/2.2_Kinderreport_aktuell_und_aeltere/Kinderreport_2018/DKHW_Kinderreport_2018.pdf

  • Einkommensungleichheit und Teilhabe, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband

https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/doc/expertise-konsumausgaben-2019.pdf

  • Bertelsmann: Aufwachsen in Armutslagen

https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Familie_und_Bildung/Studie_WB_Aufwachsen_in_Armutslagen_2018.pdf

  • Bertelsmann: Studie zu Bedarfen von Kindern und Jugendlichen

https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Familie_und_Bildung/Studie_WB_Children_s_Worlds__Gesamtauswertung_2019.pdf

  • 4. World-Vision Kinderstudie

https://www.worldvision.de/sites/worldvision.de/files/pdf/World-Vision-Zusammenfassung-vierte-Kinderstudie.pdf

 

Fußnoten:

[1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/294-2020_BST_IAB_Studie_Kinderarmut_2020_ID983.pdf

[2] https://www.dkhw.de/fileadmin/Redaktion/1_Unsere_Arbeit/1_Schwerpunkte/2_Kinderrechte/2.2_Kinderreport_aktuell_und_aeltere/Kinderreport_2018/DKHW_Kinderreport_2018.pdf

[3] https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Familie_und_Bildung/Studie_WB_Aufwachsen_in_Armutslagen_2018.pdf

[4] https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/294-2020_BST_IAB_Studie_Kinderarmut_2020_ID983.pdf